Gedichte

Gedichte - Heinz Otterson Gedichte - Heinz Otterson Gedichte - Heinz Otterson Gedichte - Heinz Otterson

Das lange Haar 1966

Ein Reiter mit seinem Hund ritt des Pferdes Schenkel wund. Er sprang noch über manche Hürde, der Wallach empfand dies als Bürde. Der Reiter nicht wusste, wie ihm geschah, er hing im Geäst – so ähnlich es war – mit Absalom dem langen Haar.

Altes Berlin 1967I

Ich hab so’n Koffer hier steh’n, die Knefend Hildchens röhrend heimwehend. Die Holzfäller vom Grundewald äxten, dass es nur so knallt. Die Bayer Kruzitürken essen saure Gurken in Kreuzberg – ich ein deutscher Zwerg. Die Türken dorten schmausen Türkentorten. Märkisches aus Beton, im Zoo Knautschke und King Kong. Der Kudamm ist nicht rot, die Nebenstraßen tot. Flugplatzender Tegel dämpfender Senatslärmpegel, durchs Brandenburger Tor kommt niemanden hervor. Politwestler tagen hier mit Klops und Bier, regierender Schütz mit roter Mütz weiht die U-Bahn ein, dazu am Spieß gebraten ein Schwein. Manch Senatler nahm seinen Hut, die Öffentlichkeit in großer Wut – nun gut. Ich hab so’n Koffer hier steh’n, SFB-Abendschau: „Hier ist’s scheen“. Berlin ist eine Reise wert, dafür im goldenen Buch geehrt.

Das Gebiss 1970

Goethe tat sich mit den Zähne schwer, darum ist der Schmerz für uns ein Ehr. Doch er war dabei noch ein Dichter, bei uns – leider – wird der Mund nur noch lichter.

Die Urnenliebe 1970

Ich hab so eine Sonnenwut, der Regen tut ach so gut. Regen bringt Segen. Ich kriech mit ihr unter den Ginster, da ist es immer so finster. Da esse ich so manch Träubelein. „Oh!“ Das ist fein. Die Straßen sind aufgerissen, der Maulwurf findet das beschissen.

Das Nachtgebet 1970

Du schreiest in der Nacht, weil keiner bei dir wacht. Früher hattest du einen Teddybär – heute ist es so schwer.

Der Poet 1971

Der Nichtbegrifflings ließ sich feiern, was er geschrieben – einst mit tauber Tinte. Niemand bewarf ihn mit faulen Eiern. Bei dieser Lug, Trug und Finte, was damalen als Lava geflossen, so feurig und herzbewegt, war nur ein leeres Stroh gedroschen, verfliest, verflosst, verflossen. Immer mehr in der Bibliothek, im Trödel wird es nur noch verlegt.

Der grüne Kaiser 1971

Der eine Arm so kurz, in der Hose ein blasser Furz. Die Augen blau, stolz den Kopf verrenkt – dabei die ganze Welt versengt.

Der Heuschreckenritt 1972

Mit der Heuschrecke will ich reiten in grüne Weiten, vorbei am Kirchturmsgockel, gelandet am Grabsteinsockel. Eine gar luftige Reise, Schwalben zwitschern eine Weise, Grashalme schlagen ins Gesicht, Johanniskäfer geben uns ihr Gelicht. Es ist dunkel geworden, der Tag ist gestorben. Wir legen uns zur Ruh, aus dem Stall macht’s: „Muh!“ Morgen muss ich wieder mit der Heuschrecke reiten – in grüne Weiten.